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DES HERRN FRÖHLICHS ROSTIGE VIECHER

TEXT: KAI SCHWERTNER | FOTOS: JUSTYNA KRZYZANOWSKA

Auszug aus:

GARTENDESIGN INSPIRATION
Das Magazin für Gartengestaltung und Gartengenuss
Ausgabe 5|2017
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Auf seinem 20.000 Quadratmeter großen Grundstück im Neandertal nahe Düsseldorf lässt ein passionierter Glücksritter Oldtimer im Wert von Hunderttausenden Euro vor sich hin rosten. Für Autoliebhaber ist es der Sündenfall schlechthin – für den Künstler sein Lebenswerk.

Herr Fröhlich hat in seinem Leben schon ziemlich vieles gemacht. Er hat Jura, Sinologie und Philosophie studiert, er arbeitete – durchaus erfolgreich – als Modedesigner in Düsseldorf, entwickelte außerdem den sprintstärksten straßentauglichen Elektrorenner in Kleinserie und fuhr selber in den 1980er-Jahren Rennen und gewann 1984 den Oldtimer-Grand-Prix. Seinen Siegerwagen, einen weißen Jaguar XK 120, kann man heute noch bewundern.

Der Mann ist umtriebig, das erkennt man sofort, wenn man ihn zum ersten Mal trifft. Und er ist überzeugt von sich und seinem Handeln. Michael Fröhlich verströmt das Selbstverständnis eines Menschen, der es geschafft hat, die Welt um sich herum nach seinen eigenen Vorstellungen zu formen. Und sollte etwas einmal nicht so funktionieren wie geplant: abhaken, denn lieber scheitert er zehnmal, als sich die Chance zum Gewinnen zu nehmen. Das nächste Projekt wartet schon! Außerdem hat Herr Fröhlich ein Faible für Autos … alte Autos … sehr alte Autos.

Als Verkäufer von exquisiten Oldtimern hat er sich so einen internationalen Ruf erarbeitet. In seinem Garten aber mag er die alten Schätzchen unorthodox, nämlich am liebsten rostig, zerfallen und mit der Patina von Jahrzehnten gezeichnet.

Zu seinem 50. Geburtstag im Jahr 2000 entschied sich Fröhlich, der Welt etwas zu hinterlassen, und zwar genau 50 Fahrzeuge, alle Baujahr 1950, die er fortan in aller Welt zu sammeln begann. Nach und nach drapierte er sie auf seinem Grundstück, entfernte umweltschädliche Flüssigkeiten, zog, schob und zerrte – und fluchte wahrscheinlich auch das eine oder andere Mal. Nun aber stehen sie da, 50 Mobile verschiedenster Couleur, vom Käfer bis zur britischen Staatskarosse, von der Kutsche bis zum sowjetischen Diplomatenwagen, und alle haben nur zwei Dinge gemeinsam: ihr Baujahr und den definitiv  fahruntüchtigen Zustand, in dem sie sich mittlerweile befinden.

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Objekt No. 1, der weiße Sieger-Jaguar. Mit ihm gewann Fröhlich 1985 den Grand Prix auf den Nürburgring. Dicht gefolgt von einem (ehemals) silbernen Porsche 356. Die „Grüne Hölle“ neu definiert.

FOTO: JUSTYNA KRYZANOWSKA[/one_half][one_half_last]


Der gelb-blaue Borgwart (passend im brasilianischen Nationaltrikot) kam über den Umweg Rio de Janeiro zurück ins Neandertal. Dahinter ein Stück DDR in Rot und Schwarz, ein EMW.

FOTO: JUSTYNA KRZYZANOWSKA[/one_half_last]

Der Aufschrei unter Oldtimerfreunden war groß. Von Frevel war die Rede, von den dekadenten Ideen eines neureichen Irren. Auch die deutschen Behörden arbeiteten sich an der ungewöhnlichen Sachlage ab. Die von ihnen beanstandete „nichttypische Veränderung der Waldlandschaft“ konnte Fröhlich erst vor dem Verwaltungsgericht entkräften. Dafür kann er sich nun aber auf das höchstrichterliche Urteil berufen, dass es sich bei seinem Autofriedhof um ein Kunstprojekt handelt und nicht etwa um einen profanen Schrottplatz.

Den künstlerischen Anspruch muss man Michael Fröhlich durchaus zugestehen. So ist zum Beispiel die deutsche Teilung für den gebürtigen Berliner ein großes Thema. Getrennt durch ein nachgebautes Mauerstück, stehen sich ein westdeutscher Mercedes und ein ostdeutsches Dienstfahrzeug der Volkspolizei gegenüber – ein Arrangement mit politischer Aussage. Durch die Baumwipfel lugt ein Motorsegler, der nach der Teilung als Fluchtgefährt von Ost nach West genutzt wurde.

Das ganze Grundstück wird durch Installationen ergänzt. Der facettenreiche Charakter Fröhlichs spiegelt sich dabei auf dem Gelände wider. Mal hügelig steil, bewaldet und von einem rauhen, aber herzlichen Charme, mal verspielt zart mit kleinen Pfaden und einem mit Wein und Efeu zugewachsenen Märchenhaus. Der in einer übergroßen Muschelschale angelegte See mit kleiner Jacht – übrigens auch Baujahr 1950 – als Rückzugsraum wiederum zeigt, dass der Hausherr durchaus auch das gute Leben zu schätzen weiß. Über allem aber steht das Thema Vergänglichkeit, das Fröhlich in seinem Park anschaulich erlebbar machen möchte. Denn letztlich ist es die Macht der Natur, die uns alle überdauern wird.

Auch die Vehikel aus dem Jahr 1950. Fröhlich löst mit seinem Projekt, 50 Traumfahrzeuge einfach so verrotten zu lassen, sicherlich Kontroversen aus, aber eines muss man dem Künstler lassen: Er hat einen Ort erschaffen, der über eine ganz eigene Ästhetik verfügt. Verglichen mit dem immer gleichen langweiligen Design heutiger Boliden, verfügt jedes der Exponate – und sei sein Zustand auch noch so erbärmlich – über eine ganz eigene Schönheit und einen speziellen Charakter. Blickt man dann ganz tief in die gesplitterten und gebrochenen Scheinwerferaugen der zerbeulten Autogesichter, so meint
man, in einem stillen Moment etwas von einer Autoseele spüren zu können. In diesem kurzen Augenblick erkennt der geneigte Betrachter, dass es keinen besseren Ort geben könnte, um dieser rostzerfressenen Schar aus der Vergangenheit ihre letzte Ruhestätte zu geben.

 

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