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FASERN DER ZUKUNFT

PFLANZENFASERN – TEIL 4: ANANAS, APFEL & CO.

TEXT: DR. SUSANNE NIEMUTH-ENGELMANN | FOTO (Header): SIRIRAK, STOCK.ADOBE.COM

Auszug aus:

GARTENDESIGN INSPIRATION
Das Magazin für Gartengestaltung und Gartengenuss
Ausgabe 1|2020
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Mit Leinen und Hanf haben wir in den vorangegangenen Ausgaben Stoffe aus Pflanzenfasern vorgestellt, die aus uralten mitteleuropäischen Kulturpflanzen hergestellt werden. Ihre Produktion ist entweder eine Renaissance oder aber eine Weiterentwicklung altbekannter Techniken, manchmal auch beides. Doch es gibt auch echte Innovationen: Textilien und Lederalternativen aus Ananas, Äpfeln oder Bananenstauden werden gerade entdeckt und weisen in die Zukunft der Stoffproduktion. Keine Science-Fiction, sondern eine weitere nachhaltige Alternative zu synthetischen Fasern.

Es ist kein Geheimnis, dass die konventionelle Textilindustrie in großem Maß zur Verschmutzung unserer Gewässer, zum verschwenderischen Ressourcenverbrauch und zur Überproduktion beiträgt. Ein Umdenken tut dringend not, und viele Unternehmen haben die Zeichen der Zeit erkannt.
Auch wenn es Labels gibt, bei denen das vermeintliche Umweltbewusstsein nur ein weiterer Trend ist, eine Marketingstrategie, hinter der nichts anderes als „Greenwashing“ steckt: Es finden sich genug positive Beispiele für das ernsthafte Bemühen, mit neuen Ideen und zukunftsweisenden Entwicklungen einen echten Beitrag zum Natur- und Klimaschutz zu leisten. Gerade junge Start-ups überzeugen hier mit Ehrlichkeit, Hartnäckigkeit und oft genug auch Kampfgeist, wie das Beispiel der jungen Textilingenieurin Ursula Mock (www.hanfliebe.de) zeigt, die wir in der Septemberausgabe vorgestellt haben.

LUXURIÖSE LOTUSFASER

Neben der Wiederentdeckung von heimischen Pflanzen wie Brennnessel, Leinen und Hanf für die Stoffproduktion erleben wir zurzeit auch die spannende Erforschung exotischer Materialien. Die Lotusfaser zum Beispiel erfreut sich zunehmend wachsender Beliebtheit in Europa. In Myanmar und Thailand wird sie bereits seit Jahrhunderten zur Herstellung luxuriöser Stoffe verwendet: „Beeindruckend ist die Lotus-Weberei am Inle-See (Myanmar). Aus den Stängeln der Lotusblüte wird ein klebriger Faden gewonnen, der zu Garn gesponnen wird. […] Um die traditionellen Muster des Inselvolkes zu erreichen, werden die Fäden vor dem Weben zusammen abgebunden und ähnlich wie bei der Batik-Technik eingefärbt.“1 Kein Wunder, dass das Material in Europa zum Beispiel zur Herstellung von Businesshemden verwendet wird, soll es doch nicht nur atmungsaktiv und leicht sein, sondern auch zur Harmonisierung von Körper und Geist beitragen und entspannend auf die Träger wirken.

LOTUSSEIDE

ANBAUGEBIETE:
Thailand, Myanmar

HERSTELLUNG DER FASER:

Die Stängel der Lotuspflanze werden aufgeschnitten, damit sich aus ihrem Inneren Fasern herausziehen lassen. Die auf diese Art gewonnenen Fäden werden anschließend gewaschen, zum Trocknen aufgehängt und verwebt.

EIGENSCHAFTEN:

Atmungsaktiv, leicht, weich auf der Haut, wasserabweisend, kühlend bei Hitze, wärmend bei Kälte. Hersteller versprechen außerdem positive Wirkungen auf die Psyche der Träger*innen wie Stressabbau und Harmonisierung von Körper und Geist.

PRODUKTE:

Oberbekleidung wie Hemden, Blusen, Kleider; Dekorationsstoffe

BANANENRÖCKCHEN – MAL ANDERS

Der Bananenrock, wie er im letzten Jahrhundert dank Josephine Baker Berühmtheit erlangte, konnte sich (leider) nicht dauerhaft
als Bestandteil einer klassischen Grundgarderobe etablieren. Ganz anders könnte es sich mit Schals und Pullovern verhalten, die aus Bananenblättern hergestellt werden. Auch Heimtextilien können aus Bananenfasern produziert werden, wie das schöne Beispiel eines Plaids aus dem Hause atisan zeigt (www.atisan.de) – zeitgemäß nachhaltiges und natürliches Interior-Design.
„Bananen könnten zum Webstoff der Zukunft werden“, titelte Anand Chandrasekhar im Informationsportal www.swissinfo.ch im März 2019 und berichtete über ein interessantes Projekt an der Hochschule Luzern: Es erforscht unter der Leitung der Textildesignerin Prof. Tina Moor, inwieweit die Scheinstämme von Bananen, also die Bananenstauden, als Grundstoff in der Textilproduktion eingesetzt werden können.
Da die Stauden ein Abfallprodukt der Bananenernte sind, das bisher im Müll landet oder am Feldrand verbrannt wird, liegt hier ein riesiges Potenzial, denn pro Jahr werden weltweit rund 100 Millionen Tonnen Bananen geerntet. Die Verarbeitung von Bananenstauden zu Garn wäre deutlich nachhaltiger als etwa der Baumwollanbau, für den riesige Wassermengen verbraucht werden.

BANANENFASER

ANBAUGEBIETE:

China, Indien, Thailand, Vietnam,
Indonesien; mittel- und südamerikanische
Staaten wie Costa Rica,
Mexiko, Guatemala, Venezuela

HERSTELLUNG DER FASER:

Aus dem weichen Kern der Bananenstaude
lässt sich mithilfe einer
Spindel ein Garn ziehen, das anschließend
verwebt werden kann.

EIGENSCHAFTEN:

Bananenfaser ist ähnlich stark wie Jute
oder Leinen, also besonders reiß- und
zugfest, dabei aber zugleich sehr fein.
So ist sie geeignet zur Herstellung von
Textilien unterschiedlichster Stärke.

PRODUKTE:

Webstoffe für Bekleidung und Dekoration;
Seile, Matten; handgemachtes Papier

ANANASGEWEBE (PIÑATEX®)

ANBAUGEBIETE:

Costa Rica, Philippinen, Brasilien,
Thailand, Indien, Indonesien,
Nigeria, China, Kolumbien, Mexiko

HERSTELLUNG DES MATERIALS:

Die Fasern werden aus den Ananasblättern herausgezogen, getrocknet und mit einem Verfahren, das der Filzherstellung ähnelt, in einer Maschine zu einem festen Gewebe gepresst. Weil dabei ein kleiner Anteil Polyester mitverarbeitet wird, hat das Gewebe auch Kritiker.

EIGENSCHAFTEN:

ähnlich stabil wie Leder, atmungsaktiv, leicht einzufärben, formbar und flexibel, weich, leicht

PRODUKTE:

Schuhe, Taschen, Geldbörsen, Gürtel und andere Lederaccessoires wie Uhrenarmbänder; Jacken und Mäntel; Möbel

LEDERALTERNATIVEN: VON ANANAS BIS APFEL

Nicht nur Textilfasern lassen sich aus Pflanzen gewinnen. Für Veganer, aber auch für viele andere Menschen, denen Klimaschutz und Nachhaltigkeit am Herzen liegen, ist es wichtig, Alternativen zur Lederherstellung aus Tierhäuten zu entwickeln. Vor allem die exotische Ananas und der gute alte, heimische Apfel sind unter diesem Aspekt in den letzten Jahren interessant geworden.
Das britische Start-up „Ananas Anam“ wurde 2014 gegründet und machte mit einem Material namens Piñatex® (Piña = spanisch: Ananas) von sich reden. Genau wie die Bananenstauden, sind auch die Ananasblätter, aus denen die Lederalternative gewonnen wird, ein Abfallprodukt der Ernte. „Ananas Anam“ vertreibt das Material Piñatex® an verschiedenste Labels, die daraus Taschen, Schuhe und Gürtel herstellen. Aber auch zur Produktion von Sofas und bei der Innenausstattung von Autos wird Piñatex® mittlerweile verwendet. Kreationen wie die atemberaubend coolen, metallisch glänzenden Kleider und Mäntel von Laura Strambi dürften auch Fashion Victims überzeugen.

VERY VEGAN

Auch aus Äpfeln lässt sich ein Lederersatz herstellen, genauer gesagt: aus Apfelschalen. Das Material, das inzwischen unter dem Namen „Appleskin“ bekannt ist, besteht zur Hälfte aus Abfällen, die bei der Produktion von Apfelsaft und weiteren Apfelprodukten wie Apfelkompott usw. anfallen. Der italienische Hersteller Nemanti
(www.nemanti.com) konzentriert sich auf veganes Schuhwerk, das genau wie herkömmliche Lederschuhe den für die italienische Mode so charakteristischen Mix aus Futurismus und Luxus versprüht und auf der Basis von Appleskin produziert wird. Ein weiteres innovatives Unternehmen, das sich ganz diesem Material verschrieben hat und modische Taschen daraus herstellt, ist nuuwaï (www.nuwaii.com)

APPLESKIN (LEDERALTERNATIVE AUS ÄPFELN)

ANBAUGEBIET:

Mittel- und Südeuropa

HERSTELLUNG DES MATERIALS:

Getrocknete Apfelabfälle werden zu einem Pulver zerrieben, das mit Farbpigmenten und dem Kunststoff PU (Polyurethan) gemischt und anschließend auf Baumwollbahnen aufgetragen wird. Diese Bahnen werden gewaschen, erhitzt und geprägt.

EIGENSCHAFTEN:

robust, widerstandsfähig, flexibel, langlebig, behält lange seine ursprüngliches Aussehen

PRODUKTE:

Taschen, Geldbörsen, Gürtel und weitere Lederaccessoires

 

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