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STOFFE AUS DER NATUR

PFLANZENFASERN – TEIL 3: HANF

TEXT: DR. SUSANNE NIEMUTH-ENGELMANN | FOTO (Header): © CENDECED – stock.adobe.com

Auszug aus:

GARTENDESIGN INSPIRATION
Das Magazin für Gartengestaltung und Gartengenuss
Ausgabe 5|2019
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Wenn es um das Thema Naturfasern geht, kommt Hanf eine besondere Bedeutung zu. Kaum ein Pflanzenstoff ist so widerstandsfähig, robust und vielseitig einsetzbar. Textilien aus Hanf überzeugen nicht nur durch ihre hervorragenden Produkteigenschaften. Auch die Produktionsbedingungen punkten mit Nachhaltigkeit. Hanf ist ein schnell nachwachsender Rohstoff, für dessen Anbau weder Dünger noch Pestizide nötig sind. Höchste Zeit also für die Wiederentdeckung einer uralten Kulturpflanze.

Nicht erst, seit Cem Özdemir vor einigen Jahren mit einer Hanfpflanze auf seinem Balkon fotografiert wurde und sich kurz darauf Ermittlungen der Berliner Staatsanwaltschaft ausgesetzt sah, wird gewitzelt und geschmunzelt, wenn es um Hanf geht. Natürlich ist Hanf (Cannabis sativa) als Rauschmittel bekannt, und natürlich gehen die Meinungen darüber, ob Cannabis eine riskante Einstiegsdroge ist oder ob ein gelegentlicher Joint nach Feierabend ähnlich gefährlich wie ein Glas Rotwein ist, weit auseinander. Wer allerdings bei der alten Kulturpflanze nur an das Thema Drogenpolitik denkt, klammert die riesige Bedeutung aus, die Hanf über Jahrhunderte in der Medizin, aber auch in der Herstellung von Seilen, Garnen, Stoffen und Papier gespielt hat – und erfreulicherweise in den letzten Jahren wieder zu spielen beginnt.

VIELSEITIGE NUTZPFLANZE

Wie die Übersicht auf der rechten Seite zeigt, gibt es eine große Zahl an unterschiedlichen Hanferzeugnissen und ein großes Spektrum von Einsatzmöglichkeiten der vielseitigen Pflanze. Eine Besonderheit von Hanf ist, dass sich all seine Teile verwerten lassen und das auch aus den Nebenprodukten, die bei der Herstellung von Textilfasern anfallen, wertvolle Materialien gewonnen werden können.

Der größte Einsatzbereich von Hanffasern in Europa ist derzeit die Papierindustrie für Zigarettenblättchen. Vor fünf Jahren wurden über die Hälfte der in Europa geernteten Hanffasern für die Papierherstellung eingesetzt (Quelle: European Industrial Hemp Association EIHA, ein Zusammenschluss der Hanf verarbeitenden Industrie). Dicht gefolgt wird dieser Einsatzbereich von der Bauwirtschaft. Aus Hanf werden zahlreiche Dämmstoffe gewonnen, die für ein gesundes Raumklima sorgen und besonders
schädlingsresistent sind.

TECHNISCHES TEXTIL IN DER SEEFAHRT

Vor allem als technisches Textil wurde Hanf in früheren Jahrhunderten genutzt. Historiker konnten nachweisen, dass rund 2.800 v. Chr. in China die ersten Seile aus Hanf hergestellt wurden. Das älteste erhaltene Hanftextil stammt ungefähr aus dem Jahr 1.000 v. Chr. In Europa begann man mit dem Hanfanbau um 150 n. Chr. in Schweden, um 400 n. Chr. in England. Im Jahr 900 verpflichtete Karl der Große die Bauern per Dekret zum Anbau von Hanf. Im Gegenzug konnten Steuern in Form von Hanffasern entrichtet werden.

Die Blütezeit der technischen Hanfstoffe in Europa ist die Zeit der Segelschifffahrt und der großen Entdeckungen, das 17. Jahrhundert. Segel, Leinen, Planen, Netze, ja selbst die Uniformen der Besatzung – nahezu alle Textilien, die an Bord gebraucht wurden, wurden aus Hanf gefertigt. Seine hohe Durchlässigkeit für Wasser (etwa acht Prozent des Eigengewichts ohne Wasseraustritt) machte Hanf für diesen Einsatz besonders geeignet. Die besondere Faserstruktur des Hanfs führt das Wasser schnell wieder ab. Hanffasern sind aber auch deshalb sehr gut für die Schifffahrt geeignet, weil die Faser salzresistent ist und sich die Reißfestigkeit bei Nässe erhöht (sogenannte Nassfestigkeit). Diese Qualität ist bei keiner anderen Naturfaser so stark ausgeprägt.

Doch bereits im 18. Jahrhundert, als Baumwolle an Bedeutung gewann und preiswerter wurde, setzte schleichend der Niedergang der Hanfwirtschaft ein. Spätestens mit der Erfindung des mechanischen Webstuhls, der die Baumwollherstellung grundlegend veränderte, war der Untergang des Rohstoffes Hanf besiegelt. Die meist durch Sklavenarbeit produzierte Baumwolle (vgl. GDI 1|2019, Stoffe aus der Natur: Baumwolle) sollte ihm nun für lange Zeit den Rang ablaufen. Der starke Rückgang der Segelschifffahrt im 19. Jahrhundert tat ein Übriges, um Hanf als textilen Rohstoff für lange Zeit in Vergessenheit geraten zu lassen.

RENAISSANCE VON HANFERZEUGNISSEN

Heute besinnt man sich zunehmend auf die Gründe, aus denen Hanf so viele Jahrhunderte, ja Jahrtausende hindurch eine herausragende Rolle in der Textilproduktion gespielt hat. Durch seinen hohen Faseranteil im Stängel von 30 bis 35 Prozent ragt Hanf als „Musterschüler“ unter den Naturfasern heraus. Zum Vergleich: Bei Leinen liegt der Faseranteil bei rund 20 bis 25, bei Brennnessel bei 10 bis 15 Prozent. Das macht seinen Anbau ergiebig und effizient, ohne die Umwelt zu belasten. Junge Start-ups wie die Firma „hanfliebe“ wollen nicht nur Hanffasern erzeugen und Textilien daraus herstellen. Wie die Gründerin von „hanfliebe“, Ursula Mock, wollen sie mit der Hanfproduktion einen persönlichen Beitrag zur Ressourcenschonung und zum Aufbau regionaler Wertschöpfungsketten leisten.

 

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