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FRÜHBLÜHENDE GRÄSER FÜR DEN SOMMERGARTEN

TEXT: PETER JANKE | FOTO (HEADER): GRÄFLICHER PARK BAD DRIBURG

Auszug aus:

GARTENDESIGN INSPIRATION
Das Magazin für Gartengestaltung und Gartengenuss
Ausgabe 3|2018
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Gräser und grasartige Pflanzen sind aus der zeitgenössischen Gartenästhetik nicht wegzudenken. Die lineare Wirkung ihrer Blätter und Blütenstände bringt Spannung und gleichzeitig Ausgewogenheit in nahezu jedes Bepflanzungskonzept. Einige Vertreter aus dem riesigen, uns heutzutage zur Verfügung stehenden Gräsersortiment überzeugen zudem mit spektakulären Laubfarben oder prächtiger Herbstfärbung. Bei richtiger Arten- und Sortenauswahl lassen sich für fast jeden Gartenstandort zuverlässige, einfach zu kultivierende Varietäten finden, die selbst an extremen Standorten optimal gedeihen.

GRÄSER ALS GESTALTUNGSELEMENT FÜR JEDE JAHRESZEIT

Gräser bilden einen festen Bestandteil meiner Pflanzplanungen – und das zu jeder Jahreszeit. Immergrüne und halbimmergrüne Gräser, wie etliche Seggen (Carex), einige Federgräser (Stipa und Nasella), Schwingel (Festuca) und natürlich die große Gruppe der Bambusse formen im Zusammenspiel mit Gehölzen das gestalterische Rückgrat des Gartens. Und wenn wir auch wintergrüne Gräser jährlich zwischen März und Mai beschneiden, halten sie mit ihren grünen Winterhorsten das Gartenbild zu frostigen Zeiten zusammen. Zudem dürfen Immergrüne nie radikal bis zum Boden heruntergeschnitten werden, so dass selbst nach der Frühlingsfrisur ansehnliche
Strukturen im Garten verbleiben, die ich als aktives Gestaltungselement in meine Pflanzkonzepte einbeziehe. Auch nichtimmergrüne Gräserarten, wie Rutenhirse (Panicum), Chinaschilf (Miscanthus) oder Federborstengräser (Pennisetum) sollen in meinen Pflegekonzepten während der Wintermonate als längst braun gewordene Winterstruktur das Bepflanzungskonzept bereichern dürfen.

Nach dem Frühlingsrückschnitt (der genaue Zeitpunkt hängt stark vom individuellen Jahresklima und von den jeweiligen Gräserarten ab) ist neues Wachstum kaum zu bremsen. Erstaunt und fasziniert stehe ich jedes Jahr aufs Neue vor gestern zurückgeschnittenen Gräsern, die bereits heute eindeutigen Neuzuwachs zeigen. Ein solch rasantes Austriebsvermögen ist besonders bei wintergrünen, wärmeliebenden Arten wie Stipa oder Poa-Arten aus der Südhemisphäre zu beobachten. Aber auch nichtimmergrüne reagieren ab Anfang März sofort auf die ersten Sonnenstrahlen mit neuerlichem Wachstum. Selbst klassische, spätblühende Gräser bereichern somit oft elf von zwölf Monaten im Jahr das Gartengefüge.

Wer sich hingegen bereits im Frühjahr nach windbewegten, hauchzarten Gräserblüten sehnt, wird nachfolgend auf eine ganze Palette von verblüffenden Frühblühern aus dem derzeitigen Gräsersortiment stoßen.

 

FRÜH, JEDOCH NICHT IMMER HERAUSRAGEND

Einige Gartenklassiker unter den Gräsern blühen früh, jedoch relativ unscheinbar und oft wenig lang. Hierzu zählen frühe Kopfgräser (etwa Sesleria heufleriana, Sesleria caerulea und Sesleria nitida), die ab Juni blühenden Schillergräser (Koeleria glauca) und natürlich viele Seggen (Carex).

Die frühe, nur bei genauer Betrachtung faszinierende Blüte vieler immergrüner Seggen (wie Carex morrowii) schneide ich als generelle Pflegemaßnahme sogar zusammen mit dem Schnitt der Blatthorste im Mai herunter. Doch Obacht: Einige Seggen verblüffen dann eben doch mit ihrem sehr frühen und wunderschönen Blütenschmuck. Hierzu zählen beispielsweise Carex elata (mit sehr dunklen, kontrastreichen Blüten bereits ab März), Carex pendula (zwar stark versamend, doch unglaublich elegant, mit hoch aufstrebenden, bogig überhängenden Blüten), Carex grayi (die Morgensternsegge) und last but not least das unfassbar schöne Gräserkunstwerk Carex fraserianus (mit schneeweißen Maiblüten über auffallend breitem Laub). Apropos auffallend weiße Gräserblüten für den Schattengarten: Die hinreißende Schneemarbel (Luzula nivea) blüht ebenfalls bereits ab Mai und darf hier natürlich nicht unerwähnt bleiben.

 

FRÜHBLÜHEND UND UNVERZICHTBAR

Wenn in meinem Waldgarten die ersten Narzissen zu blühen anfangen, schiebt sich zur gleichen Zeit das leuchtend zitronengelbe Laub des Goldflattergrases (Milium effusum ‘Aureum’) aus dem Boden – eine perfekte Kombination mit nahezu jeder Frühlingsblütenstaude. Ab Mai wird der Gelbton der Blätter etwas sanfter, und zarteste, elegant überhängende Blütenrispen erscheinen, die bis in den Hochsommer zieren. In humider Julihitze neigt Milium zu Mehltaubefall, so dass ich die gesamte Pflanze dann bis zum Boden herunterschneide. Als Dank für diesen unaufwendigen Pflegeschritt erhalte ich bald darauf neues, frisches Blattwerk.

Oftmals bereits ab April beginnt an den etwas sonnigeren Säumen unseres Waldgartens das großartige und langanhaltende Blütenspektakel der Rasenschmielen (Deschampsia caespitosa). Luftige Wolken feinstgliedriger Blütenschwaden erscheinen je nach Sorte in diversen Farbtönen von Apfelgrün über Goldgrün bis hin zu Bronzetönen. Bis in den Spätsommer begeistern mich diese himmlischen Blütenschleier, welche bis zu einem knappen Meter hoch aufsteigen können.

An noch sonnigeren, trockeneren Stellen meines Gartens drängen dann im Mai andere Gräser-Frühblüher auf die Gartenbühne. Von vergleichbarer Farbintensität des Laubes wie das Goldflattergras ist die goldpanaschierte Form des heimischen Fuchsschwanzgrases (Alopecurus pratensis ‘Variegatus’), das ich ebenfalls nach
dem Verblühen herunterschneide, um neuen Blattaustrieb zu generieren. Genauso leuchtend panaschiert, nur in einem komplett anderen Farbspektrum, zeigt sich nun auch der eisig-silberne Teppich von Holcus mollis ‘Albovariegatus’, der in der Literatur zwar als blühfaul bezeichnet wird, in meinem Kiesgarten jedoch jedes Jahr aufs Neue mit seinen flirrenden, ebenfalls panaschierten Blütenrispen überzeugt (Rückschnitt ebenfalls nach der Blüte).

Nicht panaschiert, doch ebenso farbintensiv können einige Arten und Sorten der Schwingel-Gräser (Festuca) sein. In leuchtend eisblauen Farbtönen präsentieren sich die Sorten von Festuca cinerea (syn. Festuca glauca). Die Sorte ‘Eisvogel’ gefällt mir zurzeit besonders gut. Zum eisigen Farbton der feingliedrigen Schwingel-Gräserhorste bietet Festuca amethystina rötlich überhauchte Blütenstiele von Mai bis Ende Juni. Bei der Sorte ‘Superba’ ist dieser lohnenswerte Farbkontrast besonders intensiv ausgeprägt. Etwas später (Juni/Juli) startet dann die wunderbare Blüte des noch immer zu selten verwendeten, deutlich größeren Atlas-Schwingels (Festuca mairei).

Unerklärlicherweise wird eines meiner absoluten Lieblingsgräser, das wie eine riesige Schwingelart daherkommt, in Deutschland sogar fast gar nicht in Gärten  eingesetzt: das australische Blaugras (Poa labillardierei). Für mich bietet diese aus dem Süden Australiens stammende Gräserschönheit alles, was man sich von einem hervorragenden Gartengras erhoffen kann: Neben seiner makellosen, wintergrünen Schönheit besticht es durch seine erstaunliche Frosthärte (es überstand hier ohne Winterschutz minus 20 °C im harschen Winter 2007/2008). Es ist sehr langlebig und strikt horstbildend, seit 15 Jahren habe ich noch nie einen Sämling im Garten gesehen, und die bereits im Mai beginnende Blüte steht über stahlblauem Laub und währt bis weit in den Sommer.

 

UND NICHT ZU VERGESSEN: FEDERGRÄSER

Als Beth Chatto einmal von einem Gartenjournalisten gefragt wurde, welches eine Gras sie denn mit auf ihre einsame Insel nehmen würde, fiel ihre Entscheidung umgehend auf das Pyrenäen-Federgras (Stipa gigantea). Hier haben wir es tatsächlich mit einer weiteren Gräsereinzigartigkeit zu tun, die alle erdenklichen Vorteile miteinander kombiniert. Bereits im Mai schiebt dieses erstaunlich robuste Gras an trockenen Gartenplätzen seine bis zu zweieinhalb Meter hoch werdenden Blütenstängel über den kniehohen, saftiggrünen Blattschopf. Die Blütenstängel sind weizenblond, während die luftig-lockeren Blütenrispen an Hafer erinnern. Zur Vollblüte scheinen die Blüten alles Gold aus dem  Sonnenlicht einzufangen; ein Effekt, der durch auffallend goldgelbe Staubgefäße verstärkt wird. Nach der Samenreife fallen faszinierend ausgeklügelte Samenkunstwerke zu Boden, wo sie nur manchmal keimen. Die papiernen Samenhüllen verbleiben am Blütenstiel und scheinen im Abendlicht förmlich zu lodern. Ein perfektes, wintergrünes Gras, dessen hohe Gestalt dank seiner eleganten Transparenz selbst in kleinen Gärten empfehlenswert ist.

Ebenfalls zur Gattung Stipa zählten bis vor einiger Zeit Botaniker das Mexikanische Federgras (Nasella tenuissima). Heute bilden neuweltliche Federgräser die Gattung Nasella. Kaum ein anderes Gras ist von solch einer weich fließenden Zartheit. Im Winter richten sich die kniehohen Horste rigide auf und nehmen einen äußerst attraktiven Strohfarbton an. Ich beschneide dieses nässeempfindliche Gras niemals, damit überschüssiges Regenwasser über die feinen Halme seitwärts abgeleitet werden kann. Anfang Mai schiebt Nasella tenuissima zusammen mit seinen vielen Blütentrieben neues, apfelgrünes Laub hervor, und die gesamte Pflanze wird optisch sowie haptisch zart und weich. Im Hochsommer,
nach der atemberaubenden Blüte, werden sehr viele Samen ausgebildet, deren fädige Samenanhängsel in unserem Klima mitunter unschön verkleben können. Eine simple Gartenharke bringt hier Abhilfe, denn einfaches Durchkämmen zu dieser Zeit und zusätzlich im Frühjahr (März) entwirrt mühelos etwaige Verfilzungen dieser sonst unkomplizierten Spezialistin für vollsonnige, karge und bedingungslos trockene Gartenplätze.

 

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Peter Janke

Peter Janke
Geboren in Hilden, wuchs PETER JANKE in der Gärtnerei seiner Familie auf. Schon mit 20 Jahren startete er als Jungunternehmer. Janke arbeitete mit Beth Chatto in Essex (England) und unternahm Pflanzenerkundungsreisen in alle Welt. Neben seinem Gartenplanungsbüro führt er eine Staudengärtnerei für Raritäten und Wildpflanzen. Janke ist Buchautor und schreibt seit Jahren Gartenkolumnen und Pflanzenbeiträge für Fachzeitschriften.

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