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BERGE VERSETZEN AM HANG

TEXT: DANIEL BÖSWIRTH | FOTO (HEADER): GRANITWERK KAMMERER, SCHREMS/NIEDERÖSTERREICH

Auszug aus:

GARTENDESIGN INSPIRATION
Das Magazin für Gartengestaltung und Gartengenuss
Ausgabe 5|2018
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Gärten, bei denen es bergab geht, brauchen Stabilität. Etwas, das hält, auffängt, stützt, ihnen Sicherheit gibt. Große Steinblöcke können das. Sie ruhen behäbig im steilen Gelände wie ein Anker auf stürmischer See. Doch woher stammen sie? Und wie finden sie ihren Weg in private Gartenräume? Ein Blick hinter die Kulissen des Gesteinsabbaus und -transports.

Vor nicht allzu langer Zeit war es noch undenkbar, sich Steine in so gewaltiger Dimension in den Garten zu holen. Heute ist das Versetzen von Zwanzig-Tonnen-Blöcken kein Problem mehr. Das Kleinteilige, etwa durch Trockenmauern, verschwindet und wird zunehmend durch großzügige Steinsetzungen verdrängt. Statt eines Netzes aus Fugen, gebildet durch ein Natursteinpflaster, genügen wenige große Platten, um einen Sitzplatz zu gestalten. Ungeteilte, ganze Flächen sind leicht zu überblicken und wirken ruhig. Ein zweiter, nicht unwesentlicher Aspekt ist, dass Steine in solchen Dimensionen allein durch ihre Größe Emotionen wecken. Vielleicht ist es die Freude bei der Errichtung selbst, die den Steinen dann innewohnt.

Berge werden hier nur metaphorisch versetzt – tatsächlich geht es natürlich um Natursteine gigantischen Ausmaßes. Jene, die sie gesetzt bekommen, aber auch jene, die sie setzen, zücken die Kamera, um das Spektakel festzuhalten. Die Punktlandung schwerer Steinblöcke am Hang zeigt einmal mehr, wie sich durch den Fortschritt moderner Transportmethoden auch die Gärten ändern. Obwohl Naturstein von Beginn an im Garten verwendet worden ist, rückt er in so einer neuen und spannenden Weise plötzlich ins Zentrum des Geschehens. Gestalter und Designer schöpfen aus dem Pool an Möglichkeiten, und Jahr für Jahr entstehen beispielgebende, spannende und einzigartige Projekte.

 

ÖKONOMISCHE UND ÖKOLOGISCHE SICHT

Die Voraussetzungen für Steinverwendungen sind heute konträr zu früher. Es mag erstaunen, dass es sich lohnt, auch große Steine lange Transportwege antreten zu lassen. Die Globalisierung des Marktes und die gestützte und subventionierte Transportwirtschaft machen es möglich, Natursteine rund um den Erdball zu handeln und bei uns zu günstigen Preisen feilzubieten. Brasilianischer weißgelber Quarzit neben Basalt aus der Türkei, mintfarbener Sandstein aus Indien neben weißem Marmor aus Italien, rostroter bulgarischer Gneis neben grauem Granit aus China – das Angebot wird von Jahr zu Jahr größer.

Dass Steine quer um den Erdball transportiert werden und sogar günstiger als heimische Materialien angeboten werden können, mag im ersten Moment erstaunen. Sieht man sich allerdings die niedrigen Lohnkosten und meist auch fragwürdigen Arbeitsbedingungen in Ländern wie China, Brasilien oder Indien an, so wird klar, dass heimische Produzenten da preislich niemals mithalten können. Der Markt hat auf die Kritik mancher Konsumenten zwar reagiert und bietet, wie auch in anderen Branchen üblich, eine Fair-Trade-Schiene an. Von den sozialen Standards, wie sie in westlichen Ländern üblich sind, sind die Produktionsfirmen in Billiglohnländern dennoch weit entfernt. Dass der ökologische Fußabdruck von Natursteinen, die um den halben Globus transportiert werden, ein großer ist, muss nicht extra erwähnt werden.

 

BEWUSSTE WAHL

Architekten, Gartengestalter und Endkunden haben immer häufiger die Möglichkeit, sich in den Prozess der Materialbeschaffung bewusst einzuklinken. Via Internet oder mittels Schauflächen mit Musterkollektionen halten Abbaugesellschaften von Natursteinen engen Kontakt zu Händlern wie auch Kunden. Feine Bearbeitungsmethoden wie Stocken oder Strahlen werden mittlerweile vor Ort gemacht. Die Firmen sind gut eingerichtet und präsentieren ihre Produktpalette kundenfreundlich online. Was im Weinhandel schon längst üblich ist, gibt es jetzt auch bei Naturstein: Lokale „Spezialitäten“ werden aktiv beworben und können vor Ort begutachtet werden. Das macht dann Sinn, wenn ein Solitärstein im Garten besondere Präsenz erlangt. Kein Stein gleicht dem anderen, jeder ist ein Unikat. Manche Firmen bieten daher auch Tage der offenen Tür an oder haben Musterflächen angelegt, wo man unter fachkundiger Beratung alle Fragen gleich direkt klären kann. Der Stein wird nicht per Mausklick aus dem Internetkatalog irgendwo in Fernost bestellt, sondern erlangt jene Bedeutung und Beachtung, die ihm gebührt: eine intensive Auseinandersetzung mit dem Werkstoff. Jeder Stein wird markiert, ein Liefertermin vereinbart und in den Garten geliefert. Die sorgfältige Entscheidung trägt dazu bei, dass die Steinsetzung großer und markanter Blöcke ihre Wirkung nicht verfehlt.

 

DIMENSION, ANZAHL, SONDERWÜNSCHE

In welchen Bereichen soll Stein in der Gestaltung verwendet werden? Sind Formate und Dimensionen schon festgelegt worden? Wie sollen die Steinoberflächen aussehen: bruchrau oder gesägt, gestockt oder sandgestrahlt? Beim Kauf sollten Sonderwünsche gleich vor Ort festgehalten werden. Je nachdem, wo auch ein und derselbe Stein abgebaut wird, verändern sich Farbe und Schattierung. Die einheitliche Bezeichnung des Gesteins darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es durch Schichtungen zu farblichen  Veränderungen kommen kann. Möchte man etwa beim Hartberger Granit eine bestimmte Schattierung ins Gelbbraune nicht, so ist es ratsam, darauf gesondert bei der Bestellung hinzuweisen, um nicht unliebsame Überraschungen zu erleben. Ergänzende Überlegungen zu einer weiteren Verwendung desselben Steins sollten gleich auch angedacht werden. Treppen, Sitzplatz oder Wegpflaster fügen sich im harmonischen Farbton perfekt ins Ganze ein.

 

ENGE KOOPERATION

Steinmetze sind meistens durch ihre Maschinen im Hinblick auf die Größe der zu bearbeitenden Blöcke limitiert. Hier tun sich Abbaufirmen mit ihrem beeindruckenden Fuhrpark samt Maschinen wesentlich leichter. Computergesteuerte Präzisionssägen bearbeiten auch große Rohlinge mit einer erstaunlichen Genauigkeit. Architekten und Gartengestalter nützen das Angebot der Firmen, um ihre genauen Vorstellungen in Kooperation mit dem Werk direkt umzusetzen. So können nach AutoCAD-Vorlage auch nach Maß gefertigte Einzelstücke hergestellt werden. Spezialwünsche, wie das Anbohren von Liegesteinen für eine Schirmverankerung, können rasch und günstig im Steinbruch geschehen. Der Vorteil der engen Kooperation mit lokalen Firmen hat auch einen handfesten praktischen Grund: Während man bei Nachbestellungen in Fernost mindestens zehn Wochen einplanen muss, klappt es bei lokalen Anbietern auch wegen des raschen Transports oft schon innerhalb von zwei Wochen.

 

STEINE AM HANG: SITZPLATZ AUS EINER PLATTE

Moderne Bearbeitungsmethoden machen es möglich, auch von riesigen Blöcken dünne Platten in einer Stärke von nur fünf bis 15 Zentimetern herunterzusägen. Sie werden meistens sandgestrahlt, damit sie trittsicher sind und sich angenehm begehen lassen. Die Bearbeitungsspuren der Bohrlöcher an den Rändern, die vom Abspalten des Blocks stammen, werden sehr häufig bewusst belassen. Sie sind Zeugen des Herstellungsprozesses und haben durchaus ihren Reiz. Die Platten bewegen sich in einer Größenordnung von zwei bis vier Quadratmetern, aber auch darunter. Sie können entweder alleine oder zu mehreren kombiniert eine größere Fläche belegen. Meist reicht jedoch eine Platte, da das Platzangebot zumindest in steilen Hanggärten beschränkt ist. Für Verbindungswege lassen sich hervorragend Trittplatten verwenden, am besten aus demselben Material.

 

PERFEKTES PLANUM

Die Verlegung großer Steinplatten mit dem Autokran braucht eine gute Vorbereitung. Da die geschnittenen und sandgestrahlten Platten selbst nahezu perfekt eben sind, reicht ein geringes Gefälle von ein bis zwei Prozent aus. Das Splittbett muss fertig abgezogen sein, bevor der Kran die Platte vom LKW hebt. Für ihre Größe sind die Platten relativ dünn. Durch das hohe Eigengewicht und die daraus resultierenden Biegespannungen beim horizontalen Transport ist die Verlegung eine heikle Angelegenheit. Werden Platten nicht gleich verlegt, lassen sie sich am besten auf Kanthölzern zwischenlagern. Von dort können sie elegant mit einer Vakuumverlegung präzise ins Pflasterbett gesetzt werden.

 

STEINSETZUNGEN VON BLÖCKEN

Ist ein Fundament schon errichtet worden? Sind Zufahrten freigemacht? Diese Fragen sollte man sich stellen, denn mehrere Tonnen schwere Steine üben einen gewaltigen und dauerhaften Druck auf den Boden aus. Daher braucht es in jedem Falle ein solides Fundament. Der Untergrund ist so weit zu festigen, dass es zu keinen nachträglichen Setzungen der schweren Blöcke mehr kommen kann. Solche passieren bei mangelhafter Fundamentierung oft erst Monate später. Der Schaden bleibt dann oft unbehoben, denn wer möchte gerne einen Bagger in seinen schönen, fertig angelegten Garten lassen, der eine Spur der Verwüstung durch das satte Grün zieht? Steinsetzungen bei frisch geschütteten Hängen sind heikel, weil der aufgeschüttete und gelockerte Boden noch nachgibt. Da braucht es solide Betonfundamente. Doch für gewöhnlich reicht eine Fundamentierung mit kantigen Bruchsteinen. Der Aushub sollte mindestens 40 Zentimeter tief bei flachen Blöcken erfolgen. Hohe Steine oder gar Stelen brauchen eine gesonderte Verankerung im Boden. Die Bruchsteine für das Fundament sollten mit einer Rüttelplatte verdichtet werden.

Der Typ der Baufahrzeuge korreliert direkt mit der Steingröße. Für das Versetzen von Blöcken in der Gewichtsklasse von 700 bis 1.500 Kilogramm ist ein 3,5-Tonnen-Bagger geeignet. Fingerspitzengefühl, Geduld und räumliches Vorstellungsvermögen sind beim Bau der Steinschlichtung erforderlich. Schöne Sichtseiten müssen gesehen und der Block präzise in den Hang eingebaut werden. Die hässliche, meist auch unförmige Seite des Blocks verschwindet als Unter- oder Rückseite im Hang.

 

STELEN AM HANG

Spannend ist auch die Verwendung von Stelen in Mauern. Sie unterbrechen das horizontale Fugenmuster in unnachahmlicher Weise. Wer die Mauern der Prä-Inka-Kultur mit ihren Steinmonolithen in Tiahuanaco in Bolivien gesehen hat, kann nur staunen. Sie sind vor mehr als 3.000 Jahren mit einer atemberaubenden Präzision gebaut worden. Stelen können sowohl Eckpunkte oder Endpunkte in einer Mauer markieren als auch mitten ins Mauerwerk eingebaut werden. Solche gewollten „Aufsteller“ sehen nur dann gut aus, wenn die angrenzenden Mauersteine nahezu lückenlos anschließen und die Stele gut eingebunden wirkt. Verwendet man ein anderes Material als die Mauersteine selbst, heben sie sich zwar ab, werden jedoch oft als Fremdkörper empfunden. Stelen und Säulen können auch in Verbindung mit Zweckbauten wie Zäunen oder Pergolen gut eingesetzt werden. Eine schlichte Steinsäule oder Stele: Was bei Pergolen oft sehr rustikal, aber auch archaisch wirkt, sieht bei Zäunen zu schmucklos und nüchtern aus. Vielleicht ist das Auge auch nur von den vielen prächtigen Beispielen vergangener Jahrhunderte verwöhnt. Ziersäulen aus Stein in Zäunen wurden kunstvoll bearbeitet und in Form gebracht. Heute hingegen belässt man alles so natürlich wie möglich.

 

TREPPEN AUS GROSSEN BLOCKSTUFEN

Erst Treppen ermöglichen es, einen Hanggarten elegant erlebbar zu machen. Große Blockstufen haben gegenüber gepflasterten Treppen viele Vorzüge. Sie sind kompakt in der Form, schnell zu verlegen und robust gegenüber ungünstigen Bedingungen wie Hangwasser. Die einzelnen Stufen sind bestens für die Vakuumverlegung geeignet.

Denkt man über die großzügige Verwendung von Stein im Garten nach und werden die Projekte bis ins Detail umgesetzt, so schwankt die Stimmungslage. Die intensive Verwendung macht nach der Fertigstellung skeptisch. Vielleicht doch zu viel? Doch der Garten befindet sich in einem dynamischen Prozess, und die Verhältnisse verschieben sich im Laufe der Zeit zugunsten des Grüns. Das Grau der Steine verliert an Präsenz. Nach Jahren bilden die Felsen die steinernen Inseln im unbeständigen grünen Meer des Werdens und Vergehens. Sie strahlen als Ruhepole die Beständigkeit und Gelassenheit aus, die man sich für sich selber wünscht.

 

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