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HANGGÄRTEN: GARTENGESTALTUNG IN STEILER LAGE

TEXT: INA SPERL | FOTO (HEADER): www.gartenfoto.at | Design: Klaus Moser

Auszug aus:

GARTENDESIGN INSPIRATION
Das Magazin für Gartengestaltung und Gartengenuss
Ausgabe 5|2018
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Der ideale Garten ist eben? Weit gefehlt. In vielen Regionen ist das Gelände bergig, Grundstücke fallen zum Haus hin ab oder steigen auf. Das wird oft als Problem wahrgenommen, in Wirklichkeit bietet so ein Stück Land aber Chancen. Ein Hang ist immer eine Herausforderung – je steiler er ist, desto aufwendiger seine Gestaltung. Aber die Mühe lohnt: Mit Terrassen, Treppen und gut ausgewählten Pflanzen kann ein Garten entstehen, der sich nicht mit einem ebenen vergleichen lässt. Er liest sich wie ein offenes Buch. Möglich, dass er ein Mikroklima bietet, das eine ungewöhnliche Bepflanzung erlaubt. Vor allem aber hat er eine Aussicht. Oder sogar mehrere, die von verschiedenen Sitzplätzen aus erschlossen werden. Denn ein Hang ermöglicht immer wieder neue Blicke  auf den Garten und die Umgebung.

Eine Fläche wie ein unbeschriebenes Blatt. Frei zu gestalten, ohne etwas anderes zu berücksichtigen als Haus und Umgebung, so wird ein Traumgarten meist gedacht. Doch die Realität ist in vielen Regionen eine andere. Das Grundstück liegt am Hang, am Berg, fällt in ein Tal ab. Beides scheint nicht ideal, denn ein Gefälle bedeutet meist unzugängliches Gelände, nicht nutzbarer Gartenraum. Bestenfalls noch Rasen, der unter Mühen gemäht werden muss, der sich nicht für Ballspiele eignet. Auch ein klassisches Staudenbeet passt nicht einfach so an eine Schräge.

Mit einem anderen Blick wird ein Hang allerdings zum Vorteil. Zwar stehen am Anfang schweißtreibende Arbeit und Kosten für Erd- und Steinarbeiten, die erheblich sein können. Doch dadurch entsteht Gartenraum, wo vorher keiner war. Stufen und Treppen, Terrassen und Mauern machen eine schräge Ebene nutzbar. Solche Arbeiten erschaffen eine Struktur des Gartens, die viele Jahrzehnte überdauern kann, wie zum Beispiel die um 1930 angelegten Minack Gardens in Cornwall zeigen. Eine gute Planung ist unerlässlich, auch ein Blick in die Zukunft gehört dazu: Wie soll der Garten in den kommenden Jahrzehnten genutzt werden? Wie viele Sitzflächen sind gewünscht und möglich? Wie bleiben die Bereiche zugänglich, wenn das Treppensteigen mal nicht mehr leicht fällt? Aber auch: Wie schnell soll ein als Sichtschutz gepflanztes Gehölz wachsen, wie hoch darf oder soll ein Baum werden? Könnte sich die Umgebung verändern, und was würde das für den Garten bedeuten?

Am Anfang steht die Bestandsaufnahme. Wie liegt das Grundstück? Wo ist Sonne, wo Schatten? Wie verändert sich das Licht im Laufe des Jahres? Soll der Sitzplatz sonnig liegen oder unter einem Baum? Ist das Gelände geschützt oder exponiert? Wie ist der Untergrund beschaffen und wie viel Niederschlag fällt? Erosion kann ein entscheidender Faktor sein: Wertvoller Boden wird ausgewaschen, zurück bleibt Gestein, auf dem nichts wächst. Gezielte Pflanzenauswahl kann das verhindern.

 

DEN BODEN EBNEN

Das 4-Sterne-Superior-Hotel besitzt einen 70.000 Quadratmeter großen Park, der das gesamte Anwesen umgibt und von seinen Gästen rund um die Uhr exklusiv genutzt werden kann. Die einzigartige Lichtgestaltung, aufwendig umgesetzt von der Firma Spotlight-Lichtdesign, sorgt dafür, dass der Park in der Dämmerung wunderschön illuminiert wird – ein Highlight im wahrsten Sinne des Wortes.

Terrassierung ist das beste Mittel, um Gartenflächen zu schaffen, die genutzt werden können: als Spielfläche mit Rasen, für Gemüse oder als Staudenbeet. Ist die Steigung gering und nur wenig Erdbewegung nötig, ist so etwas möglicherweise in Eigenregie zu bewältigen, mit Muskelkraft. Steile Hänge sind mühsam zu bearbeiten, und hohe Terrassen erfordern stabile Mauern, damit das Erdreich nicht abrutscht. Je nach Gelände ist ein felsenfestes Fundament nötig. Ein Beispiel ist der Garten in Tiburon, Kalifornien, von Huettl Landscape Architecture, wo das besonders steil abfallende Terrain durch Betonwände abgefangen wird.

Mauern sind ein Gestaltungselement, am Hang fällt der verwendete Stein oder Beton meist mehr ins Auge als auf einer Ebene. Daher gilt es, möglichst einheitliches Material für Treppen und Mauern zu verwenden, das bringt Ruhe in den Garten. Auch Cortenstahl eignet sich, um ein Beet zu sichern und Erde vor dem Wegrutschen zu bewahren. So eine Trennwand erlaubt, fast ohne Platzverlust zu arbeiten: Nur wenige Zentimeter Material reichen aus, um einen Anstieg von einem halben oder einem Meter Höhe zu gewinnen, wie es das Beispiel von Lutsko Associates Landscape Architecture zeigt.

Bei einem Garten in der Ebene erlauben allenfalls die oberen Etagen eines Hauses oder der Bau eines Aussichtspunktes die Betrachtung von oben. Beim Hanggarten ist die Aussicht inbegriffen – ein großer Pluspunkt gegenüber einem flachen Grundstück. Wo die Aussicht am schönsten ist, sollte ein Sitzplatz angelegt werden, zumindest eine Bank oder ein großer Stein, der sich zum Verweilen eignet. Mit Terrassen, Plattformen oder Stegen lässt sich aber auch Raum schaffen, wo keiner war: eine Fläche, die sich über den Hang erhebt, ermöglicht einen völlig neuen Blick. Das Gelände fällt unter dem Steg ab, der Garten oder die Landschaft lässt sich auf andere Weise erleben. Sei es, dass das Murmeln eines unten fließenden Bachlaufs hörbar wird, wie beim Garten von Peter Berg. Sei es, dass sich an so einem Sitzplatz die letzten Strahlen der Abendsonne einfangen lassen. Vielleicht wird eine neue Naturerfahrung möglich in Höhe der Baumkronen, oder sogar in der Luft, über einem Abhang schwebend, wie im Garten Argentario von Designer Paolo Pejrone. Dramatischer ist dies möglich an der Telegraph Hill Residence in San Francisco, einem Garten von Andrea Cochran.

 

MIT PFLANZEN GESTALTEN

Regen kann am Hang zur Erosion beitragen. Starke Gewitter oder Platzregen waschen die Erde vom Untergrund. Daher ist die Wahl der Pflanzen am Hang besonders wichtig. Gras bildet zwar ein dichtes Wurzelwerk, doch ist Rasen nicht die Gestaltung der Wahl, wenn das Grundstück steil abfällt. Mühsam ist das Mähen, kaum nutzbar sind die Flächen. Werden Ebenen angelegt, muss der Mäher hinauf- und hinabtransportiert werden. Ein Staudenbeet, einmal eingewachsen, bietet mehr Abwechslung über das Jahr und bedarf nur weniger Pflege. Auch Gehölze eignen sich, wollen aber gut platziert sein. Denn hohe schlanke Pflanzen können zu starke Vertikale bilden, sie sollten sparsam und gezielt eingesetzt werden. Alles, was oben am Hang steht, wirkt von unten größer. Das ist in die Planung einzubeziehen. Auch die Vorausschau: Wie groß wird die Pflanze, wie kann es in ein paar Jahren aussehen? Großes darf ruhig in den Vordergrund rücken, sogar auch den Blick verstellen – solange es nicht das komplette Bild verdeckt, macht es den Garten interessanter. Die Auswahl der Pflanzen hängt von der Lage ab. Liegt der Hang in Richtung Süden, kann er im Sommer sehr heiß und trocken werden. Bei exponierter Lage ist Wind ein Faktor, der Pflanzen ebenfalls zusetzt.

Ist Raum für Beete, wie im Garten in London Hampstead, den die Designerin Jane Rothwell entworfen hat, werden Pflanzen nach den Standortbedingungen ausgewählt: Zwiebelblumen für das Frühjahr, Storchschnabel und Gräser für den Spätsommer, Laubbäume für die Herbstfärbung. Ein Nordhang ist schwierig, da er viel Schatten bietet. Hält der Boden genügend Feuchtigkeit, fühlen sich an so einem Standort zum Beispiel Funkien wohl. Ist er karg und trocken, eignet sich Efeu, das ein dichtes Geflecht bildet. Aufhellend wirken Arten mit panaschiertem Laub, das weiße Akzente setzt und lebendiger wirkt. Am Südhang sieht es anders aus: Hier gedeihen Rosmarin und Thymian, Iris, Wermutgewächse (Artemisia) oder auch Weinreben. Ist der Boden extrem trocken und steinig, fühlen sich immer noch Grasnelken und Schleifenblumen, Hauswurz (Sempervivum) und Walzenwolfsmilch (Euphorbia myrsinitis) wohl. Zum Gartenbild tragen überhängende Pflanzen bei, die von unten aus gut zu sehen sind: Bergminze und Blaukissen, Frauenmantel und Kapuzinerkresse. Auch ein immergrüner Garten ist denkbar. Die Designerin Janell Denler Hobart setzt kleine, in Form geschnittene Gehölze ein, die dem Hang eine grüne Kontur geben.

Ist das Gelände nur schwer zugänglich, wird mit Bodendeckern gearbeitet. Balkan-Storchschnabel (Geranium macrorrhizum) stellt wenige Bedingungen an sein Umfeld und begrünt schnell Flächen auch im Schatten. Vinca, das Immergrün mit den lilafarbenen Blüten, muss im Zaum gehalten werden, wenn es nicht den ganzen Garten bedecken soll, ansonsten ist es unproblematisch. Zwergmispeln (Cotoneaster) blühen weiß, ehe sie dekorative rote Beeren bekommen. Winterjasmin (Jasminum nudiflorum) legt sich auf die Erde und kann sonnige bis halbschattige Hänge bedecken. Ab Dezember verwandeln die Blüten ihn in einen gelben, duftenden Teppich am Hang.

 

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