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BLÜTEN AUS DEM KÜNSTLERGARTEN

DER GARTEN BISCHOFF & LYS IM UNTERENGADIN

TEXT: FRANK GERDES | FOTO (HEADER):  TN Hotel Media Consulting

Auszug aus:

GARTENDESIGN INSPIRATION
Das Magazin für Gartengestaltung und Gartengenuss
Ausgabe 6|2018
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Überall im Waldhaus Sils recken die Blumenarrangements von Hotelfloristin Anna Rosano ihre Hälse dem Besucher entgegen, an der Rezeption, auf den Fluren und von den Tischen. Die einen geben sich dabei majestätisch und vornehm, die anderen verspielt und verträumt. Immer aber sind sie ein Stück Natur, das seinen Weg aus dem Garten von Madlaina Lys und Flurin Bischoff in das legendäre Schweizer Hotel gefunden hat.

Anna Rosanos florale Kunstwerke verbreiten eher den leichten Duft einer Waldlichtung, über die gerade noch ein schüchternes Reh huschte, als an die ehrwürdige Eleganz eines Fünf-Sterne Hotels zu erinnern, in dem schon Erich Kästner, Hermann Hesse und Joachim Ringelnatz residierten. Deswegen tragen sie, gewollt oder ungewollt, zur familiären Atmosphäre der Nobelherberge im Engadin bei und sorgen mühelos dafür, dass sich jeder Gast gleich wie zu Hause fühlt. Die Blumen, Blätter und Beeren ihrer Sträuße sind nicht konfektioniert. Sie sind keine Gewächshausware, die künstlich gezogen und gerichtet wurde. „Sie müssen nicht perfekt sein. Sie müssen nur schön sein“, erklärt Anna, die Floristin.

AUS DER NOT GEBORENES GLÜCK

DGehegt und gepflegt werden die Pflanzen für die Hotel-Kreationen von Madlaina Lys und Flurin Bischoff. Sie ist eigentlich Keramikerin, der Bildhauer. Gemeinsam betreiben sie einen kommerziellen Garten im Unterengadin. Vom Hotel zum Blumengarten der beiden Künstler sind es knappe 60 Autominuten. Vorbei an Bergen, durch Dörfer, über Brücken hinweg. Und ehe man sich versieht, ist man in Lavin angekommen, einem kleinen Dorf im Unterengadin: 34 Häuser, 226 Einwohner, am Südfuß des Piz Linard liegend. 1869 abgebrannt und in den folgenden Jahren wieder aufgebaut. Seitdem ist kaum etwas passiert. Ist man unachtsam, fährt man ganz fix daran vorbei – wäre da nicht dieses Glitzern des Glasdaches im Sonnenschein, das die Straße hinab lockt. Man wendet den Wagen, fährt über die Schotterpiste und zieht die Bremse schließlich am Ende einer Sackgasse, an einem Staketenzaun.

„Dieses Gewächshaus haben wir selber entworfen und gebaut. Darin ziehen wir in der Hauptsache unser Gemüse. Die Blumen wachsen dagegen unterm freien Himmel auf “, erzählt Madlaina, während wir am Cosmeen-Beet stehen, auf den rauschenden Inn schauen und das Dach weiter vor sich hin funkelt. Es ist übrigens das größte von drei selbstgebauten Gewächshäusern. Einmal mehr wurde auch hier die Schönheit aus der Not geboren, denn eine finanzielle Notlage zwang die Keramikerin und ihren Mann, eine zusätzliche Einnahmequelle zu finden. „Von unserer Kunst alleine konnten und können wir nicht leben. Das ist nun mal so. Aber wir fanden diesen Garten. Den durften wir übernehmen. Das ist jetzt mehr als 20 Jahre her“, verrät sie.

Ihr Blick gleitet hinüber zu ihrem Flurin. Er schneidet gerade auf einem alten Eichentisch eine neue Blumenbestellung zurecht. „Er lässt uns überleben. Damit haben wir aber nicht nur einen zusätzlichen Verdienst gefunden, sondern auch ein zusätzliches Glück.“

BEDROHUNGEN DURCH DAS WETTER

Dieses Glück wird nun mit Liebe angelegt und mit Hingabe bewirtschaftet. Man sieht, dass hier Künstler am Werke sind und Betriebswirtschaft kaum eine Rolle spielt.

Diese kleine Gärtnerei scheint eher wie ein mittelalterlicher Klostergarten: nützlich, pflichtbewusst, selbstvergessen. Allerdings wird er immer wieder bedroht. Wie groß die Gefahr ist, zeigte der diesjährige August. Während in Deutschland die Hitzewelle über das Land schwappte, drohte im Engadin bereits die erste Kaltfront. Frost, Schnee, Winter im Sommer. Eine Katastrophe. Über Nacht hätte alles zerstört sein können. Die ganze Blütenpracht vernichtet. Vorzeitig. Ohne Ausgleich. „Aber der liebe Gott hat es noch einmal gut mit uns gemeint“, seufzt die Künstlerin, während wir an den Dahlien vorbei schlendern. Sie streicht sich die Falten ihrer Bluse glatt und lächelt. „Einige Wochen dürfen wir jetzt noch unsere Blumen ernten und unsere Kunden beliefern. Dann sehen wir weiter.“

Steht man in diesem Garten, am Fuß der Berge, weigert man sich zu glauben, dass dieses wilde Blütenmeer aus Topinambur (Helianthus tuberosus), Herbstzeitlose (Colchicum autumnale) und Chrysantheme (Chrysanthemum) vorzeitig verebben könnte. Man möchte es in Stille am liebsten endlos genießen. Auch wenn der Bauer auf dem Feld nebenan lautstark sein Heu einholt. Aber anders ist das wohl nicht möglich. „Nein, dieses Glück ist endlich. Das muss man wissen und sich darauf einrichten. Wir möchten es nur so lange nutzen, wie wir dürfen“, sagt Madlaina leise. „Verschwindet der Garten im Winter, erwacht unsere Kunst zum Leben.“ Unweigerlich wünscht man sich, dass dieser Moment noch lange in der Ferne wartet. Schließlich ist dieser Garten ein Kleinod, das man in dieser Form nicht auf diesem Flecken Erde erwartet hätte.

 

FREIHEIT IM GARTEN UND IN DER GESTALTUNG

Akkurat geschnittene Buchsbaumhecken säumen die Beete, geschwungene, ausgetretene Pfade führen an Blütenpracht um Blütenpracht vorbei und kleine Terrassen mit dem schönsten Blick auf die umliegende Berglandschaft laden den Besucher auf vielleicht 3.000 Quadratmetern zum Träumen ein. Hier kann man in Blumen schwelgen oder es sich wahlweise einfach nur bequem machen, um die Augen zu schließen. Wer aber sehen, riechen und fühlen möchte, der geht zwischen den Blumenbeeten umher, betrachtet den Klatschmohn (Papaver rhoeas), bestaunt die Artischocken (Cynara scolymus), verliebt sich in Kugeldisteln (Echinops) und wundert sich über die Zierkürbisse. „Wir versuchen auch immer wieder neues“, verrät Madlaina und hält einen Salatkopf hoch. „Aber wir sind auch den Pflanzen treu, mit denen wir Erfolg haben. Da wir auf Chemie in unserem Garten komplett verzichten, müssen wir uns in der Hauptsache auf Bewährtes verlassen.“

„Wir leben im und mit dem Rythmus der Natur. Verblühen die einen, müssen wir längst die anderen Blumen ziehen“, erzählt die Kreative unterm Kirschbaum und kredenzt Wasser aus der eigenen Quelle. Das Rauschen des Inn macht selbst noch aus der Ferne schläfrig.

„Bei Madlaina und Flurin finde ich immer die optimalen Zutaten für meine Sträuße. Egal, ob Blühendes oder Verblühtes – hier gibt’s, was mir gefällt“, erklärt Waldhaus-Floristin Anna Rosano, während sie zwischen Daumen und Zeigefinger ein Blatt reibt und lächelt. „Die beiden pflegen in ihrem Garten die Freiheit und ich in meinen Sträußen. Das passt eben.“ Davon bringt die Floristin eine Menge mit ins ehrenwerte Waldhaus Sils. Und so werden auch Anna Rosanos Blumensträuße ein Zeichen von Libertät in dem altehrwürdigen Hotel – ganz im Sinne von Kästner, Hesse und Ringelnatz.

 

DIE SCHWEIZER BLUMENFLÜSTERIN

 

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[/one_fourth][three_fourths_last]Anna Rosano

Mit ihren Arrangements verzaubert sie das berühmte Waldhaus Sils jeden Tag aufs Neue: Anna Rosano arbeitete zunächst als Gärtnerin, bevor sie ihr Talent für Blumensträuße und Tischdekorationen entdeckte. Gartendesign Inspiration entlockte der Top-Floristin des Schweizer Fünfsterne-Hauses das Geheimnis ihres Erfolges.[/three_fourths_last]GARTENDESIGN INSPIRATION: Ihre Blumenarrangements verleihen dem Waldhaus Sils ein besonderes Flair. Man findet sie nahezu überall: an der Rezeption, in der Halle, auf den Etagen, im Speisesaal. Mal sind sie groß, mal klein. Mal üppig, mal bescheiden … 

Anna Rosano: Das ist das Konzept, das wir über die Jahre entwickelt haben. Wir haben punktuell auf den Etagen angefangen und hier und dort ein Arrangement aufgestellt. Dann haben wir die Größe getestet und festgestellt: In der Halle oder an der Rezeption müssen sie einfach üppiger sein. In so großen Räumen wirken sie sonst nicht. Auf den Tischen dürfen sie bescheidener sein.

GARTENDESIGN INSPIRATION: Ihre Blumendekorationen für das Waldhaus haben einen ganz besonderen Stil. Wie haben Sie den gefunden? 

Anna Rosano: Den Sträußen sieht man meine Vergangenheit an – die Gärtnerin, das Naturnahe. Irgendwann hat sich diese Form von Strauß herausgebildet. Aber sie sind nicht nur eine Frage des Geschmacks oder Stils, sondern auch ein Ergebnis der Arbeitsabläufe. Anstatt sie in der Hand zu binden, werden sie aus rationellen Gründen gesteckt. Denn wenn man einen Strauß bindet, hat man kaum eine Hand frei. Dann können Sie sich nichts notieren und auch kein Telefonat annehmen. Deswegen verzichte ich auf das Binden und stecke meine Sträuße gleich direkt in die Vase.

GARTENDESIGN INSPIRATION: Ihre Sträuße wirken wie direkt auf der Wiese gepflückt. Warum ist Ihnen das so wichtig?

Anna Rosano: Ich liebe die Natur und ich packe sie am liebsten in all ihren Facetten in meine Kreationen. Obwohl ich immer wieder versuche, diese Natürlichkeit in meine Sträuße zu bringen, sehen sie im Winter ganz anders aus als im Sommer. Dann muss ich auf Pflanzen aus dem Gewächshaus zurückgreifen. In diesen Monaten fällt es schwer, einen schönen Wiesenstrauß für die Vase zu zaubern.

GARTENDESIGN INSPIRATION: Mit welchen Blumen arbeiten Sie am liebsten? 

Anna Rosano: Ich habe keine Lieblingsblume. Mir gefallen ziemlich viele Blumen. Das können auch ganz einfache sein. Zum Beispiel ein Löwenzahn in seinen verschiedenen Stadien. Ich mag auch Rosen – wenn sie aus dem Garten stammen. Eine Gartenrose ist natürlich und ursprünglich gewachsen, eine gezüchtete Rose aus dem Gewächshaus eher nicht. Da sage ich „Nein Danke“.

GARTENDESIGN INSPIRATION: Wenn ich einen Blumenstrauß komponiere, worauf sollte ich achten?

Anna Rosano: Ich gehe nie vom Strauß aus, sondern denke zuerst an die Vase, die ich benutzen möchte, und ihren Standort. Der Strauß muss zur Vase passen und sollte seine Umgebung ergänzen. Erst Standort, Vase, Pflanzen ergeben zusammen ein gelungenes Bild. Stimmt die Szenerie, kann man mit ganz wenig ganz viel erreichen.

GARTENDESIGN INSPIRATION: Wie sieht der passende Strauß zur aktuellen Jahreszeit aus?

Anna Rosano: Er sollte die Fülle dieser Jahreszeit widerspiegeln, das heißt: tiefgründige Farben, vielleicht sogar ein wenig dunkel. Beerenzweige gehören hinein, genauso wie herbstliches Laub. Der Strauß sollte wie der Herbst sein, so, wie man ihn sich eben vorstellt.

 

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